Unterwegs im Dienst der Wissenschaft: Sein Name - "E36“
Juni 2018
29. Juni – die Strahlen der tief stehenden Sonne tauchen die ausgedehnte Wiesenfläche in weiches Licht. Ein Mäusebussard vertilgt ohne Hast die Überreste eines toten Wildschweines, welches in einigem Abstand zum Ansitz liegt. Plötzlich schaut er nach oben, wird unruhig, nimmt die typische Sicherungshaltung an der Beute ein. Und dann sehe auch ich ihn – Milvus milvus kreist im Suchflug über uns. Er segelt immer tiefer und kommt schließlich frontal auf den Ansitz zu. Dreht dann doch ab und landet in einiger Entfernung zum Bussard. Zielstrebig überwindet er nach kurzem Zögern die kurze Strecke im Laufen. Der Bussard duckt sich – ich halte den Atem an. Genauso hatte ich mir die Szene immer vorgestellt.
Es hätten sie sein können – meine so oft im Kopf projizierten Wunschfotos – wenn da nicht die flatternden Plastikstreifen an beiden Schwingen des wunderschönen Rotmilans gewesen wären.
Bei der Sichtung eines mit Flügelmarken gekennzeichneten Greifvogels scheiden sich die Geister. Für viele Naturfotografen ist es ein Horror und auch ich war schockiert beim Anblick des Vogels. Für Ornithologen und Wissenschaftler ist die Sichtung hingegen ein absoluter Glückstreffer. Die Universität in Bielefeld zum Beispiel markiert Greifvögel mit Flügelmarken zum Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung über Brut-, Aufzucht- und Zugverhalten. Zudem werden dadurch die Lebensräume der Vögel kartiert. Die Wissenschaftler beteuern, dass weder das Anbringen noch das Tragen der Plastikmarken Schmerzen oder Behinderungen für die Greife bringen.
Zitat: „Die Flügelmarken können groß und hinderlich wirken, aber sie werden so angebracht, dass sie keine Schmerzen verursachen und flach anliegen, um die Tiere nicht zu behindern. Das ist wichtig für uns, denn wir möchten die Tiere so wenig wie möglich beeinflussen. Um ihr Überleben und ihre Leistungsfähigkeit unter natürlichen Bedingungen zu erforschen, ist dies von zentraler Bedeutung.“
Ob „E36“ dazu dieselbe Meinung hat? Leider kann kein Wissenschaftler ihn dazu befragen. Ich habe schon einige dieser Flugkünstler am Himmel segeln sehen und ich glaube bemerkt zu haben, dass dieser Milan bei seinem Gleitflug ein klein wenig ins Schlingern geriet. Und auch die winkenden orangeroten Fähnchen lagen bei weitem nicht so elegant an wie das prachtvolle Gefieder des Greifes. Oder alles doch nur Einbildung?