Metamorphose
Kleine Wunder der Natur
Papilio macharon, der Schwalbenschwanz, gehört zu den schönsten und auffälligsten Tagfaltern unter unseren heimischen Schmetterlingen. Doch bis das exotisch anmutende Insekt von Blüte zu Blüte segelt bedarf es einer erstaunlichen Verwandlung vom Ei über die Raupe zur Puppe bis zum fertigen Schmetterling.
Im Sommer 2018 hatte ich das Glück, zwei leuchtend grün und schwarz gebänderte Raupen des Schwalbenschwanzes an einer Fenchelstaude in meinem Garten zu finden. In einem vor Fressfeinden schützenden Aufzuchtkasten konnte ich die Verwandlung der Raupe zum Schmetterling mit viel Geduld und dem dafür notwendigen Glück fotografisch begleiten und dokumentieren.
26.07.2018
Beide fast ausgewachsenen ca. 5 cm großen Raupen werden in den 40 x 40 x 50 cm großen, aus einem mit Gaze bespannten Holzrahmen mit fester Bodenplatte bestehenden Aufzuchtkasten mit samt der Futterpflanze eingesetzt. Die Raupen gewöhnen sich ohne Probleme ein und fressen munter weiter am Fenchel. Wichtig ist es, regelmäßig den ausgeschiedenen Kot zu beseitigen und für frischen Nachschub an Futter zu sorgen.
28.07.2018
Beide Raupen stellen am zeitigen Vormittag das Fressen ein und wandern auf der Suche nach einem geeigneten Verpuppungsplatz im Kasten umher. Raupe 1 entsorgt letzten Kot in flüssiger Form, ein sicheres Zeichen für die anstehende Verpuppung. Kurz darauf nimmt sie die typische Verpuppungsstellung ein, natürlich nicht an einem der dafür angebotenen senkrecht im Kasten angebrachten Äste, sondern recht unspektakulär am oberen Querrahmen des Kastens. Unverzüglich beginnt sie mit dem Weben eines Seidengürtels, mit welchem der Körper im oberen Drittel am Holzrahmen fixiert wird. Der Hinterleib wird mit einem kleinen Seidenposter angeheftet. Raupe 2 folgt ihrem Beispiel am späten Nachmittag – natürlich ebenfalls am Holzrahmen.
29.07.2018
Gegen 11:00 Uhr zeigen sich bei Raupe 1 durch leichte Kontraktionen erste Anzeichen der anstehenden Verpuppung. 13:00 Uhr setzt die eigentliche Verpuppung ein. Die Raupenhaut reißt hinter dem Kopf ein und die Raupe schiebt sich mit wellenförmigen Bewegungen Millimeter für Millimeter aus ihrer Haut, welche schließlich als kleiner Hautknäul am Hinterleib haften bleibt. Mittels heftig schaukelnder Bewegungen entsorgt die Puppe auch diesen letzten Rest ihres einstigen Raupendaseins. Der ganze Vorgang dauert knapp 5 Minuten. Im Seidengürtel hängt nun eine weiche, zartgrüne Puppe. Innerhalb der nächsten Stunden härtet diese aus und nimmt eine graubraune Farbe an. Raupe 2 läßt sich noch etwas Zeit. Bis zum Einbruch der Dunkelheit passiert nichts. Am nächsten Morgen hängt auch sie als Puppe im Kasten.
08.08.2018
Wie jeden Morgen – ein flüchtiger Blick auf die beiden Puppen, bevor ich auf Arbeit gehe. Sie hängen am gewohnten Platz. Nichts Neues also. Falsch! Als ich am Nachmittag von der Arbeit komme sitzt ein wunderschöner Schwalbenschwanz im Kasten. Ich entlasse ihn sofort in die Freiheit. Er dreht noch eine kleine Runde, fast scheint es, als will er sich noch kurz verabschieden.
Puppe 2 hängt noch im Kasten, doch sie hat bereits ihr Aussehen verändert. Ihre Hülle ist nun pergamentartig und durchscheinend. Deutlich erkennt man die typische gelb-schwarze Zeichnung der Flügel des bald schlüpfenden Schmetterlings. Doch bis zum Abend geschieht nichts. Ich stellte mir für den nächsten Morgen den Wecker zum Sonnenaufgang, um diesmal den Schlupf nicht zu verpassen.
09.08.2018
Ich postierte mich mit der Kamera 05:30 vor dem Aufzuchtkasten. Als die Strahlen der Sonne gegen 07:00 Uhr auf die Puppe treffen platzt die Hülle plötzlich am Kopf auf. Innerhalb von 2 Sekunden schiebt sich der Schmetterling aus seiner engen Hülle und krabbelt sofort am nächstliegenden dünnen Ast empor. Nun pumpt er seine Flügel auf, welche sich dadurch allmählich entfalten. Ungefähr 1,5 Stunden verharrt der junge Schwalbenschwanz mit zusammengeklappten Flügeln reglos am kleinen Ast und lässt sich trocknen. Dann geht ein leichtes Zittern durch seinen Körper und er klappt die Flügel auf. Sein erster Flug ist noch etwas ungelenk und er landet auf dem Boden. Doch schon Sekunden später erhebt er sich elegant in die Luft und segelt in sein neues Leben.
Viel Glück kleiner Schwalbenschwanz!
In meinem Garten wird immer eine Fenchelstaude für deine Nachkommen bereitstehen.
Nachtrag:
Nach einem absoluten Bestandstief in den 70er und 80er Jahren haben sich heute die Populationen von Papilio macharon in Deutschland wieder leicht erhöht. Entwarnung kann es jedoch nicht geben. Das rasante Insektensterben macht auch vor den Schwalbenschwänzen nicht halt. Gründe dafür sind unsere intensive Landwirtschaft und der Einsatz von Insektiziden. Ökologischer Landbau und das Zulassen von Pufferbereichen an Feld- und Wiesenrändern würden auch dem Schwalbenschwanz das Leben leichter machen. Doch auch vor der eigenen Gartentür ist es wichtig, kleine Biotope zu schaffen und konsequent auf den Einsatz von Pestiziden und Unkrautvernichtungsmitteln zu verzichten.
Achtung! Sollten Sie Ihren Garten ökologisch bewirtschaften, achten Sie auf jeden Fall vor dem Verzehr ihrer Fenchelpflanzen auf eventuell darin lebende Untermieter in grün-schwarz-orangem Gewandt.